Ich bin eine Weile still geblieben, weil ich meine neuen Erfahrungen als reisende Kalligraphin erst sammeln und verarbeiten wollte. Üblicherweise bin ich ja keine Globetrotterin, sondern unterrichte eher im Scriptorium und manchmal auch irgendwo in Deutschland. Das war mein erster Besuch in Amerika und die Eindrücke dieser abenteuerlichen Reise bleiben mir kostbar und unvergesslich.
In den zwei Wochen, die ich dort war, hatten wir 14 Starts und Landungen…Von Düsseldorf über Atlanta nach Louisville/Kentucky, wo Laurie wohnt (ich habe erfahren, dass es auch die Heimatstadt von Mohammed Ali gewesen ist..;) und wir uns auf den Kurs vorbereitet haben. Abends haben wir Künstlerfreunde besucht, die ein Holzhaus von 1790 bewohnen, was für amerikanische Verhältnisse unfassbar alt ist. Vor allem war es aber unglaublich gemütlich und gastfreundlich! Überhaupt habe ich dort soviel offene Freundlichkeit und die hohe Kunst des Smalltalks kennen- und schätzengelernt (nicht zuletzt, weil meine Englischkenntnisse so „small“ sind…)
Danach sind wir gemeinsam von Louisville via Atlanta nach Albuquerque geflogen und von dort mit einem Mietwagen nach Santa Fe. Eine traumhafte Stadt, ein bisschen spanisch, amerikanisch und indianisch zugleich… meine absolute Lieblingsstraße ist die Canyon Road. Eine schmale, aber sehr lange Straße mit beidseitigen Bürgersteigen zum Flanieren. Es reihen sich Kunst – und Schmuckgalerien aneinander, nur unterbrochen von gemütlichen Cafés und Restaurants.Von dort haben wir eine weitere Freundin von Laurie besucht. Die Witwe eines berühmten amerikanischen Künstlers wohnt so weit draußen in der hochgelegenen Wüste von New Mexico (über 2000m), dass die Straßen nicht mal mehr Namen haben. Man muss sich einfach an irgendwelchen Büschen und Sträuchern orientieren, um die richtige Abbiegung zu erwischen. Dann wird plötzlich ein sogenanntes „greenhouse“ sichtbar, eine Art Treibhaus, das igluförmig aus weiß bespannten Aluelementen gebaut ist, ein wenig erinnert es mich an eine Weltraumstation. Dahinter liegt ein langgezogenes Haus inmitten eines riesigen Wüstengartens mit Terrassen und Sitzgelegenheiten in alle Himmelsrichtungen.
Die Aussicht ist einfach majestätisch! Und das wirklich in JEDE Richtung! Und innen eine Gemütlichkeit mit Kaminofen von Sitzgelegenheiten umgeben, dazu Kunst gemischt mit New Mexico Kitsch… ich habe mich sofort wohl gefühlt!
Dann endlich Taos! Das kleine Städtchen mit vielen Geschäften und Kunstgalerien (und auch mit den riesigen Trucks mit dem tiefen Geräusch ihrer Motoren, ich liebe sie! ;). Wunderschön ist der geradlinige, archaische Bau der Adobehäuser, alles terracottafarben, die hohen Zäune aus dünnen Baumstämmen, die die Koyoten abhalten sollen (abends hört man manchmal ihr Heulen), der blitzblaue Himmel mit schneeweißen Wölkchen über der weiten Landschaft, der Duft von weißem Salbei und das „sacred Land“, das heilige Land der Pueblo Indianer— und mittendrin wir, die Kalligrafen. Unglaublich….
Das traumschöne Mabel Dodge Luhan House wirkt wie eine Filmkulisse auf mich. Und sogar Dennis Hopper war über Jahre zu Gast hier, (endlich habe ich auch die Stimmung von „Easy Rider“ verstanden..), T.H. Lawrence, Georgia O‘Keeffe und viele andere auch. Ihr Geist scheint durch die Räume zu atmen, Bilder der Erbauerin Mabel (oft auf einem Pferd sitzend) und ihrem indianischen Mann Tony Luhan hängen hier überall, dazu die geschnitzten Holzsäulen, die die Decke stützen. Und in jedem Raum ein Kaminofen, Holz daneben, Sofas, Gemütlichkeit pur! In der Küche hängen Pfannen und Töpfe von der Decke, wir sind überall willkommen. Amerika ist soo schön!
Der Kurs beginnt… Das Wiedersehen mit Dagmar und Lily war ziemlich überschwenglich, drei Deutsche unter 13 Amerikanerinnen! Es war eine gemischte Gruppe von Anfängern und erfahreneren Kalligraphen. Das Kursthema war „Lebe die Fragen“ aus Rilkes Briefen an einen jungen Dichter. Wir haben den Tag mit Yogaübungen und kurzen Meditationen begonnen. Laurie bestand darauf, dass Handys und Uhren abgeben wurden, damit alle wirklich ganz ungestört und ohne Ablenkungsmanöver arbeiten konnten. Wir haben verschiedene Texte von Rilke in Deutsch und Englisch gelesen, danach einige Inspirationen angeboten, dann gab es viel Zeit zum Arbeiten. Still und fleißig waren alle, versunken in Poesie und in die eigenen Gedanken, die in einem kleinen selbstgebundenen Buch ihren Platz gefunden haben. Ernsthaft und kreativ, mit vielen Fragen (wie Rilke es bereits ahnte). Für den Fall, dass die Amerikanerinnen an noch mehr Literatur interessiert waren, hatte ich vorsorglich noch mehr Texte von anderen Autoren wie Romano Guardini, John Cage, Goethe und Sokrates mitgebracht. Lily hatte angeboten, mir beim Übersetzen zu helfen, falls ich mal nicht weiter weiß, aber bei der Frage, wie die Übersetzung für das „mitlaufende Werkstück“ heißt, musste sie leider passen;))). Ich war sehr neugierig, wie die Amerikanerinnen mit Kalligraphie umgehen. Aufgefallen ist mir, dass sie viel mehr sticken, in fast allen Büchern waren kleine Stickarbeiten oder Stofffetzchen eingearbeitet. Ansonsten gab es eigentlich wenig Unterschiede. Wir alle teilen die Liebe zum Wort, zum Gedankenaustausch, zum Gestalten mit unseren Werkzeugen und Möglichkeiten.
Ich danke für all die gedankenreichen Gespräche, für das Schweigen und die Impulse, die dieser Zirkel ermöglicht hat. Ich habe gelernt, wie wichtig der Austausch über die Länder hinweg ist, wie bereichernd es ist, zu erleben, dass wir alle gleich sind und dennoch von einander pofitieren können. Vielen Dank an Romy und Happy, die so gastfreundlich waren und uns so herrliche Einblicke in die Lebensart von New Mexico gewährt haben. Und natürlich geht mein herzlichster Dank an Laurie, die all das organisiert und mir ermöglicht hat, dass ich meinen Teil zu diesem Zirkel beitragen konnte.
Vom letzten Teil gibt es natürlich keine Fotos, denn wir waren ja ohne Handys und iPads…;)
„Land of Enchantment“, Land der Verzauberung, New Mexico! Ich habe mich sofort in diese Landschaft verliebt, wie so viele …