Ateliertagebuch oder: Der erste Engel

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Seit Wochen beschäftigen wir uns mit dem Großprojekt „Engel“.
Die Idee dazu ist das eine, die Umsetzung etwas ganz anderes!

Nach ersten gestalterischen Überlegungen wird der „Rohengel“
intensiven Schönheitskorrekturen unterzogen. Es wird abgeschliffen
und hinzugefügt, ausgeglichen und vorsichtig optimiert. Der Reiz des
Alten soll bewahrt bleiben, also nicht zu viel und nicht zu wenig. Es gilt,
das richtige Maß zu finden.

Material muss beschafft und geprüft werden. Säcke mit Sand, Gips
und Zement stapeln sich neben Eimern und Werkzeugen. So viele
Zwischenstationen und Entwicklungsstufen sind nötig, bis man einer
alten, abgenutzten Form neues Leben einhauchen kann…
Der Salon des Scriptoriums verwandelt sich mehr und mehr in eine Baustelle.

Wir planen und philosophieren über geeignetes Material, über Mischungs-
verhältnisse und sinnvolle Arbeitsabläufe. Werkstattarbeit bedeutet
Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch. Es bedeutet auch Geschichten-
erzählen und konzentriertes Schweigen, vor allem aber, im richtigen Moment
Tatkraft zu beweisen und Geduld in Trocknungsprozessen zu bewahren,
sich nie mit Gegebenem zufrieden zu geben, sondern nach Verbesserungen
zu suchen und aus einer guten Idee weitere zu entwickeln.

Wo endet Handwerk und wo beginnt Kunst?
Vielleicht ist es der Moment, in dem einem der Schöpfungsprozess bewusst
macht, dass man immer wieder Anfänger ist, ein Suchender und Forscher
aus Leidenschaft für ein besseres Ergebnis.

Herzliche Einladung zu unserer
ADVENTSAUSSTELLUNG mit Punsch und kleinen Törtchen
im Scriptorium und im Laden „Brief & Siegel“! 

*Freitag, 30. November von 18:00 bis 22:00 Uhr (Kunst & Kostbarkeiten in den Ateliers und Höfen von Gräfrath) und
*Samstag, 1. Dezember von 11:00 bis 14:00 Uhr (nur bei uns)
Wir werden den Engel vorstellen und Kamo wird
Interessierten Einblicke in seine Ikonenkunst gewähren.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

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Ein alter Engel
mit leicht gesenktem Haupt und
majestätisch ausgebreiteten Flügeln
behütet seit Jahren gedankenvoll
menschliches Schicksal.

Wettergegerbt, grau und bemoost
soll er zu neuem Leben erweckt werden,
soll Begleiter sein auch für andere Seelen.

Geübte Hände und ein wacher Blick
sind gefühlte Ewigkeiten am Werk.
Zerstörung und Erneuerung scheinen gleich.
Doch bewährtes Material und kluger Geist
verbinden sich mit unsichtbaren Formkräften.

Nun steht der alte Engel da,
fleckig und geschunden,
geschliffen, poliert und ausgebessert,
mit Wachs und Honig überzogen,
bereit zu neuem Leben?

Die Form aus Gips und Gummi,
gewachsen und geschichtet wie
die Haut eines Urzeitwesens, ist plötzlich
ein großer, geheimnisvoller Kokon,
bereit zur Metamorphose …

Endlich wird die rohe Form in den Sand gesetzt.
Die Aufgabe scheint so groß
wie der Bau der Pyramiden.
Mit Erwartungen und Gebeten verrühren wir Wasser,
Zement und Sand, dazu eine Prise Magie …

Voller Tatkraft und innerer Sammlung gießen wir
schweigend flüssigen Stein in die dunkle Höhle.
Hält die Form? Sind Festigkeit und
Weichheit im harmonischen Verhältnis?
Stimmt Mischung, Material und Menge?

Wir hoffen aufs Gelingen…
und warten, bis der Stein zu Stein wird ..

So vieles wirkt in uns, bevor der erste Engel
mit hingebungsvoll gesenktem Haupt
eine freundliche Stille verkündet und
sein inniges Lächeln leise das Herz berührt.
DONA NOBIS PACEM

Und hier noch ein paar Impressionen vom Entstehungsprozess

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Kamo wartet „geduldig“…;) 

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Der besondere Moment: Das Öffnen der Form

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Kleine Schönheitsreparaturen

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Das „Beschriften“. Jetzt weiß ich, warum es Lapidar Antiqua heißt.

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„Verfeinerungen“ in einer Nacht- und Nebelaktion…

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