Vom inneren zum äußeren Bild

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Teil I „Das innere Bild suchen“

Hildegard von Bingen hat vor tausend Jahren einen Satz geschrieben, der gerade für künstlerische Prozesse eine
zeitlose Wahrheit formuliert:

„Alle Geschöpfe haben etwas Sichtbares
und etwas Unsichtbares.
Das Sichtbare ist schwach und das Unsichtbare
stark und lebendig.“

Wie könnte es gelingen, das Unsichtbare in sich zu entdecken?
Sich Zeit nehmen, um mit sich allein zu sein,
konzentriert und doch offen hinlauschend zu sein,
um etwas zu erspähen oder wiederzufinden…
etwas aufschreiben, notieren, skizzieren, einen Gedanken,
ein Bild, einen Wortfetzen aus einem Traum in der
Nacht vielleicht, eine Erinnerung
oder nur eine farbige Linie mit dem Pinsel…
Dieses noch unbekannte Etwas spiegelt sich aus unseren Tiefen
und genau das gilt es weiterentwickeln. Der Versuch, dieses
Unsichtbare sichtbar machen ist so wertvoll, weil wir spüren,
dass es genau das ist, was uns eigentlich ausmacht!

Caspar David Friedrich drückt es viele Jahrhunderte später so aus :

„Schließe dein leibliches Auge, damit du mit
dem geistigen Auge siehest dein Bild. Dann fördere
zutage, was du im Dunkeln gesehen, daß es zurückwirke
auf andere von außen nach innen.“

Also gut, lassen wir uns führen von ihm, er muss es ja wissen,
als Maler und spiritueller Mensch…
Aber wie? Die üblichen Fragen tragen nicht mehr:
Was ist der schönste Schmetterling, das stärkste Bild,
die wichtigste Erinnerung, der üppigste Garten….
Es kann immer nur um die eigene derzeitige Position gehen.
Es gilt eine kleine, losgelöste Möglichkeit aus der Fülle der
Eindrücke an die Oberfläche holen….
Die konzentrierte, doch gelassene Betrachtung dieses noch unbekannten, aber auf geheimnisvolle Weise vertrauten Bildes, und der Versuch, diesem inneren Bild so nahe wie möglich zu kommen, so dass während des Arbeitens das äußere Bild immer mehr an Kontur gewinnt…

Teil II „Das äußere Bild entsteht“

Die Papierauswahl…
während der Entscheidung für das Format, der Grammatur,
der Oberflächenbeschaffenheit sortiert sich langsam alles von selbst, unsere Hände „ertasten“ den Weg von innen nach außen.
Die Farbe mischen…
hell oder dunkel, transluzent oder deckend, bis wir wissen,
dass sie richtig ist, man erkennt sie einfach wieder, die Augen „wissen“.
Das Werkzeug auswählen…
ob grob oder fein, elastisch oder starr, „intuitiv“ erfassen wir mit ihm die Stimmung, die es auszudrücken gilt.

Manchmal geht es plötzlich los, machmal langsam und mit Bedacht…
WIR machen das Unsichtbare in uns stark und lebendig und fördern UNSERE inneren Bilder zutage!